Aktuelles von Technologie & Innovation vom Februar 2021

Veröffentlicht: Februar 2021

Liebe Leserin, lieber Leser

Das Jahr 2021 ist bereits wieder ein Monat alt. Höchste Zeit also, neue, spannende und hoffentlich, informative Beiträge aus der Welt der Technologien zu präsentieren.

In dieser Ausgabe der Tech-News versuchen wir, möglichst kurz und einfach die 5G-Technologie etwas genauer zu beleuchten, und mögliche Einsatzgebiete und Chancen für Blinde und Sehbehinderte aufzuzeigen.

Weiter präsentieren wir die IOS- und Android-App "Be My Eyes".

Zusätzlich können Sie eine kurze Zusammenfassung der virtuell durchgeführten Konferenz der EBU (European blind Union) lesen. Die Fachstelle "Technologie & Innovation" durfte bei dieser Gelegenheit, SBV-eigene Produkte vorstellen, aber auch interessante Entwicklungen in anderen Ländern mitverfolgen.


Die 5G-Technologie und mögliche Anwendungsgebiete kurz erklärt

Nein nein keine Angst! Die Fachstelle "Technologie & Innovation" will nicht Partei für oder gegen 5G ergreifen. Vielmehr versuchen wir in diesem Bericht, soweit es in einer solch kurzen Zusammenfassung denn möglich ist, ein paar Fakten und Erklärungen zum neuen Standard von 5G zu liefern. Es geht also nicht um eine Wertung, sondern vielmehr darum, Ihnen gewisse Grundlagen für die Beurteilung der neuen Technologie mit auf den Weg zu geben, und allfällige Einsatzmöglichkeiten für Betroffene zu erläutern.

 

Was ist eigentlich 5G?

Die fünfte Generation des Mobilfunkstandards (5G) ist eine Weiterentwicklung des längst verbreiteten 4G LTE. Das 5G-Netz kann im Gegensatz zu 4G, Wellenlängen von bis zu 300 GHZ verarbeiten, während 4G bis max. 6 GHZ abdeckt. Dazu benötigt 5G jedoch andere Basisstationen/Antennen. Für 5G weist der Trend der Netzanbieter ganz eindeutig in mehr solcher, dafür kleinere Sendeanlagen. Diese Tatsache bringt klar mit sich, dass aktuell nicht das volle Potential von 5G ausgeschöpft werden kann, umso mehr der Bundesrat entschied, bis auf weiteres die Strahlungsgrenzwerte von 5G-Antennen denjenigen von 4G anzupassen. Konkret heisst dies, dass die Strahlenbelastung den aktuell geltenden Grenzwert des 4G-Standards nicht überschreiten darf.

Zwar kann 5G noch nicht sein volles Potential ausspielen, mit der zielgerichteteren Nutzung des Netzes wird 5G aber trotzdem effizienter. Notwendige Leistungen können zielgerichteter auf ein Gerät fokussiert werden.

 

Ein paar Fakten zu 5G

  • Die Reaktionszeit (Latenz) der Datenübermittlung ist bei 5G 30 bis 50 Mal schneller als bei 4G
  • Die Datenübertragungsrate ist gegenüber 4G, beim 5G-Netz bis zu 100-mal höher
  • Im 5G-Netz können sich viel mehr Geräte auf einmal einloggen
  • Viel weniger störungsanfällig bei der Datenübertragung als 4G-LTE
  • Jede Anwendung nutzt nur das Stück des 5G-Netzes, welches relevant ist (z.B. Geschwindigkeit, grosse Datenmenge, möglichst geringe Reaktionszeit etc.)
  • Der Energieverbrauch ist viel geringer, da die Übertragungseffizienz sehr hoch ist

 

Der Fortschritt auf dem Gebiet der vernetzten Technologien setzt ein leistungsfähiges Mobilfunknetz voraus. Jährlich verdoppelt sich die zu verarbeitende Datenmenge in dieser Sparte.

Die 5G-Technologie wird u.a. im Bereich "Internet der Dinge" (IOT) eingesetzt. Dieses Anwendungsgebiet umfasst beispielsweise die Smart-Home-Thematik. Geräte und Einrichtungen können dezentral gesteuert und somit zielgerichtet eingesetzt werden.

Auch in der Industrie ist der Bedarf an stets höheren Datenmengen und schnellerer Übertragung für die Kommunikation zwischen Maschinen an verschiedenen Standorten immer grösser.

Dann wäre da noch das autonome Fahren. Besonders in diesem Bereich ist eine möglichst zeitnahe und umfangreiche Datenübertragung essenziell.

Aber auch im medizinischen Bereich (eHealth) wird ein schneller und umfangreicher Datenaustausch relevant sein.

5G hat den Vorteil, dass es sich intelligent je nach Erfordernissen von Geräten und/oder Anwendungen nutzen lässt. So sind als Beispiel für das Herunterladen eines Filmes nicht die gleichen Datenmengen gefordert, wie das einfache Zusammenkoppeln von Maschinen in einer Fabrikhalle. Wiederum benötigt die Steuerung smarter Verkehrsampeln nicht in erster Linie eine grosse Datenmenge, sondern ist vielmehr auf eine kurze Reaktionszeit (je nach Verkehrsaufkommen) angewiesen. Dies macht die 5G-Technologie nicht "nur" schneller, sondern auch sparsamer im Energieverbrauch.

 

Mögliche Chancen von 5G für Blinde und Sehbehinderte

Der Einsatz von 5G im Bereich blinder und sehbehinderter Menschen kann nicht abschliessend definiert werden. Mit dem stetigen Fortschritt der übrigen Technologien erweitern sich auch die möglichen Anwendungen. Als denkbare Anwendungen könnten Echtzeit-Informationen bezüglich freier Sitzplätze in einem Zug, die sog. Erweiterte Realität, mit welcher Infos über Gebäude, Sehenswürdigkeiten etc. geliefert werden könnten, bis hin zum autonomen Fahren genannt werden. Viele neue Entwicklungen im Bereich der Hilfestellung für blinde und sehbehinderte Personen basieren auf Technologien, welche auf die Übermittlung und Verarbeitung verschiedenster Daten angewiesen sind. Als ein bereits sehr verbreitetes Beispiel wäre hier die Navigation mit einem Smartphone zu erwähnen. Je genauer und umfangreicher das Kartenmaterial ist, desto besser wird man von A nach B navigiert. Immer besseres und genaueres Kartenmaterial bedeutet jedoch meist auch, eine stets grössere Datenmenge. Möchte man dann all dies noch in Echtzeit, setzt dies eine sehr leistungsfähige und schnelle Datenübertragung voraus. Die Vernetzung zwischen den verschiedensten Geräten mittels bestehender, oder noch zu entwickelnder Anwendungen bringt ein erhöhter Bedarf an Datentransfer mit sich. Ein Beispiel, welches alle Vorzüge der 5G-Datenübertragung gut veranschaulicht, können Sie unter folgendem Link begutachten:

https://www.vodafone.com/business/news-and-insights/case-studies/5g-skiing-how-one-blind-athlete-is-conquering-the-slopes

(Video nur in Deutsch)

Die blinde Skifahrerin fährt völlig autonom die Piste runter. Die Anweisungen bezüglich Richtungsänderungen, Geländeübergängen etc. werden von einer Person aus einem Kontrollraum per Funkt an die Fahrerin weitergegeben. Die Bilder für die Person im Kontrollraum werden von der Helmkamera der blinden Skifahrerin via 5G-Netz übermittelt. Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, wie grosse Datenmengen sehr schnell transferiert, und auch verarbeitet werden müssen. Nur so sind wichtige Infos und Anweisungen zeitgerecht möglich.

Gelingt es, die Digitalisierung auch für Betroffene zugänglich zu machen, bietet uns die 5G-Technologie ganz sicher zusätzliche Chancen im Bereich der Inklusion!

 


EBU Webinar über akustische Systeme zur Information und Navigation

Im November 2020 hat die European Blind Union (EBU) ein Webinar zum Thema akustische Informations- und Navigations-Systeme durchgeführt. Auf Initiative des Österreichischen Blinden- und Sehbehindertenverbandes sollte im November eine entsprechende Konferenz in Wien stattfinden. Aufgrund der Covid-Situation wurde die Veranstaltung in drei Vortrags-Webinare unterteilt. Ziel war es, unter den Mitgliedsländern die verschiedenen Projekte vorzustellen und wo möglich zusammenarbeiten zu initiieren. Der SBV konnte am Webinar seine beiden Apps aus diesem Bereich, "Intros - ÖV Radar" und "MyWay Pro" vorstellen.

 

Das Programm der Veranstaltung war sehr vielfältig. Wir möchten an dieser Stelle nur ein paar einzelne Projekte erwähnen, die für uns relevant sein könnten.

Die Firma Okeenea aus Frankreich stellt akustische Ampeln her. Die Ampeln ihrer letzten Generation basieren auf Bluetooth. Sie wollen damit drei Grundprobleme lösen:

  1. Auffinden des Ampel-Pfostens: Die Ampeln sind zwar mit einem Knopf ausgerüstet. Damit man diese aber auch zuverlässig auffinden kann, wird vom Signalgeber aus, ein Auffinde-Ton aktiviert
  2. Lärm-Belastung: Die Ampeln werden nur aktiv, wenn sie durch eine blinde oder sehbehinderte Person verwendet werden. Damit gibt es keine unnötigen Lärm-Belästigung für Anwohner.
  3. Richtungs-Gebung: Mit dem Sender kann angegeben werden, in welche Richtung ein Nutzer eine Kreuzung überqueren wird. Dadurch werden nur die Ampel-Masten aktiviert, die für den Nutzer relevant sind. Er kann so auch beim Überqueren der Strasse zuverlässig dem Ampel-Signal folgen. Dass die Kommunikation neu auf Bluetooth basiert hat einen grossen Vorteil. Nebst dem Signal-Geber hat Okeenea eine App für IOS und Android entwickelt, welche dieselbe Aufgabe durchführt. So können auch Touristen sehr schnell die örtlichen Ampeln nutzen, indem sie einfach eine App installieren.

 

Das zweite Projekt von Okeenea ist ein Bluetooth-Basiertes System für die Indoor-Navigation. Dabei wurde ein Beispiel einer U-Bahn-Station gezeigt, wo die üblichen GPS-Empfänger versagen. Auch hierfür wurde eine App gezeigt, die den Nutzer Schritt für Schritt vom Eingang der U-Bahn-Station zum Gehsteig führt. Hierbei fanden wir das Preis-Model interessant. Es wird vom Gebäude-Betreiber einen Betrag pro Quadratmeter und Jahr verlangt, dafür wird von Okeenea die Installation, der Betrieb und der Support übernommen. Die Kommunikation über Bluetooth und die mögliche Ergänzung zu unseren Produkten machen diese beiden Projekte für T&I interessant. Daher werden wir die Produkte und ihre Möglichkeiten weiterhin beobachten und genauer ansehen.

 

Das Dritte Projekt, das wir hier erwähnen möchten, ist eine Datenbank, die in Wien erstellt wurde, in der Akustische und Taktile Ampeln in Österreich erfasst wurden. Das Sammeln und Aufbereiten der Ampel-Standorte war äusserst aufwändig und wird auch in Zukunft vorangetrieben. Aus unserer Sicht ist so eine Datenbank nur schwer international skalierbar. Aber vielleicht gibt es Automatismen, die so etwas auch auf die Schweiz übertragbar machen könnten. Zudem könnte es für uns spannend sein, diese Informationen auch für MyWay Pro zu verwenden. Auch in diesem Projekt werden wir noch Kontakt mit den Betreibern aufnehmen, um die Möglichkeiten abzuklären.

 

Es war aus unserer Sicht sehr spannend, die verschiedenen Ausgangslagen und Projekte in Europa kennen zu lernen. Durch das Wissen über diese Projekte können Redundanzen vermieden oder aus Fehlern gelernt werden. Für uns war es aber noch spannender zu erfahren, welche Technologien eingesetzt werden, und zu erkennen, dass man durch Kooperationen die Kräfte bündeln und noch bessere Produkte für Blinde und Sehbehinderte entwickeln könnte.

 


Be My Eyes

Vielleicht kennen Sie die App "Be My Eyes" ja bereits.

Falls nicht, könnte Ihnen der folgende Funktionsüberblick der App ev. Inputs für die Verwendung der Applikation liefern.

"Be My Eyes" ist eine App für IOS- und Android-Geräte welche zum Ziel hat, blinden und sehbehinderten Menschen in schwierigen Alltagssituationen zu helfen. Das Prinzip der App funktionier so:

Hat man die App aus dem entsprechenden Store heruntergeladen, kann man sich entweder als HelferIn oder als betroffene Person registrieren.

Ist man als betroffene Person registriert, kann man via App rasch und unkompliziert Hilfe bei alltäglichen Problemen in Anspruch nehmen. Startet man eine Anfrage via App, wird eine Push-Nachricht an eine entsprechend als Hilfsperson registrierte NutzerIn ausgelöst. Via Kamera kann dann die sehende Person bei der Lösung des Problems behilflich sein.

Mögliche Probleme könnten z.B. sein:

  • Ablaufdatum von einem Lebensmittel erfahren
  • Farbe eines Kleidungsstücks ermitteln
  • Herunter gefallene Gegenstände finden
  • Hilfestellung bei der Orientierung an einem unbekannten Ort
  • Etc. etc.

 

Die App kontaktiert jeweils nur Hilfspersonen, welche in ihrem Profil die entsprechend gewünschte Sprache hinterlegt hat. Auch die Zeitzone wird bei der Suche nach einer Hilfsperson berücksichtigt. Es kann sogar Schweizerdeutsch als Sprache ausgewählt werden.

In der Schweiz sind rund 30'000 Personen als HelferInnen, und ca. 500 Betroffene registriert. Laut App-Betreiber soll eine betroffene Person nie länger als 30 Sekunden auf eine Verbindung mit einer Hilfsperson warten müssen.

Weltweit sieht das Verhältnis von HelferInnen und Betroffenen wie folgt aus:

Hilfspersonen = ca. 4,4 Mio.

Betroffene =  ca. 0,27 Mio.

 

Erhält eine registrierte Hilfsperson eine Push-Nachricht, kann den Anruf aber nicht entgegennehmen, wird sofort automatisch die nächste Person um Hilfe angefragt, Akzeptiert diese dann die Anfrage, wird die Verbindung hergestellt. Voraussetzung für die reibungslose Funktion der App ist eine Internetverbindung.

"Be My Eyes" ist eines von vielen Puzzle-Teilen, welches Betroffene im selbstbestimmten Leben unterstützen kann! Solche und ähnliche Initiativen werden vom Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV) sehr begrüsst!

 


 

Freundliche Grüsse

 

Fachstelle Technologie & Innovation