Velos auf Trottoirs: Blinde und Sehbehinderte wehren sich gegen geplante neue Verkehrsregeln

Bern, 10. Januar 2020. Gemäss Medienberichten beantragt das Bundesamt für Strassen (ASTRA) dem Bundesrat unter anderem, Kindern bis zum 12. Lebensjahr zu erlauben, mit dem Velo auf den Trottoirs zu fahren. Der Schweizerische Blinden- und Sehbehindertenverband SBV wehrt sich ganz entschieden gegen diese Massnahme.

Für blinde und sehbehinderte Menschen ist die Fortbewegung im öffentlichen Raum stark erschwert. Sie sind darauf angewiesen, die von ihnen genutzten Wege möglichst hindernisfrei begehen zu können. Schon heute gleicht ihr Weg häufig einem Spiessroutenlauf, stellen doch unachtsame Passanten, verstellte Leitlinien und unerwartete Hindernisse Gefahrenquellen dar.

Nun soll eine weitere hinzukommen. Sollten künftig Velos auf den Trottoirs verkehren dürfen, stellt dies eine erhebliche Gefahr für blinde und sehbehinderte Menschen dar. Diese können die Velos nicht erkennen und werden durch deren Bewegungen zusätzlich verunsichert. Velos fahren lautlos, sind aber in der Regel schneller unterwegs als zu Fuss Gehende. Kollisionen und Unfälle sind praktisch vorprogrammiert. Erschwerend kommt hinzu, dass Kinder oft noch nicht adäquat auf Bewegungen anderer Personen auf dem Trottoir reagieren können.

Besonders akut wird die Problematik bei älteren Kindern. Diese fahren häufig bereits relativ schnell und riskieren mit unangepasstem Fahrverhalten, zu Fuss Gehende – insbesondere Blinde und Sehbehinderte, aber auch Seniorinnen und Senioren – zu gefährden. Deshalb forderte der Schweizerische Blinden- und Sehbehinderten­verband SBV bereits in der Vernehmlassung, dass nur Kinder bis zum 8. Lebensjahr auf Trottoirs und Gehwegen fahren dürfen. Dies im Einklang mit Fussverkehr Schweiz und der Beratungsstelle für Unfallverhütung.

Bemerkenswert ist, dass es das explizite Ziel des Bundesrats war, mit den vorgeschlagenen Massnahmen die Verkehrssicherheit zu erhöhen und den Verkehrsfluss zu verbessern. Auf den Gehwegen resultiert daraus aber genau das Gegenteil: die Sicherheit der zu Fuss Gehenden wird abgebaut und der Verkehrsfluss im Fussgänger­bereich verschlechtert. Für Martin Abele, Bereichsleiter Interessenvertretung beim Blinden- und Sehbehindertenverband, ist dies unhaltbar: «Es darf nicht sein, dass die Sicherheit von sehbehinderten Menschen gefährdet wird, um Probleme auf den Strassen zu lösen.» Der SBV lehnt daher diese Massnahme entschieden ab und ersucht den Bundesrat, im Interesse der Sicherheit von blinden und sehbehinderten Menschen die Alterslimite bei 8 Jahren festzulegen.

In der Schweiz leben über 320'000 (Tendenz steigend) Personen mit einer Sehbehinderung. Als nationale Selbsthilfeorganisation der blinden und sehbehinderten Menschen in der Schweiz vertritt der SBV zusammen mit den anderen Blindenorganisationen die Interessen der betroffenen Menschen im ganzen Land.

Kontakte:

- Martin Abele, Bereichsleiter Interessenvertretung

Tel. 031-390 88 17, martin.abele@sbv-fsa.ch

 

 

Fahrradfahrendes Kind auf Gehsteig