Automatisiertes Fahren: Chance oder Risiko für Menschen mit Sehbehinderung?
Am Samstagmorgen der sbv-Delegiertenversammlung stand mit dem automatisierten Fahren ein kontroverses Thema im Fokus.

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Neben den Neuwahlen im Verbandsvorstand (mehr dazu in den Links) fand an der diesjährigen der sbv-Delegiertenversammlung eine Podiumsdiskussion zum automatisierten Fahren statt. Auf dem Podium diskutierten ausgewiesene Fachleute: Jens-Uwe Henkner, (ASTRA, Leiter Fachbereich Intelligente Mobilität des Bereichs Verkehrs- und Innovationsmanagement) Martin Neubauer (Strategischer Berater Swiss Association for Autonomous Mobility SAAM), Markus Deublein (Experte Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu) und Cristian Huber (Mitglied Verbandsvorstand des sbv).
Im Anschluss haben die Delegierten eine Resolution zum Thema verabschiedet. Den Wortlaut finden Sie im folgenden Text:
sbv-Resolution «Automatisiertes Fahren»
Beschluss der sbv-Delegiertenversammlung vom 14. Juni 2025
Seit dem 1. März 2025 ist der Einsatz von führerlosen Fahrzeugen auf bestimmten Strecken erlaubt. Im Kanton Zürich ist bereits ein Pilotversuch in Planung, bei dem im Rahmen des öffentlichen Verkehrs autonome, führerlose Autos und Rufbusse eingesetzt werden sollen. In anderen Ländern sind schon so genannte Robotaxis im Einsatz.
Neue Chancen für autonomes Vorankommen
Der sbv sieht diese Entwicklung als Chance und fordert, dass bereits in frühen Entwicklungsstadien der neuen Technologie die Interessen von blinden und sehbehinderten Menschen aktiv einbezogen werden. Ebenso sollen Versuche von führerlosen Fahrzeugen im öffentlichen Verkehr an die Bedürfnisse von Menschen mit Sehbeeinträchtigung abgestimmt werden.
Sollten Fahrzeuge dereinst unter Einhaltung der maximalen Sicherheitsanforderungen zu 100% selbstfahrend sein, wäre dies auch ein Schritt hin zu mehr Autonomie blinder und sehbeeinträchtigter Menschen. Denn dann könnte die neue Technologie zur Chance werden, dass Menschen mit Sehbehinderung dereinst selber Auto fahren können. Es ist selbstredend, dass die Nutzung dann nicht an der fehlenden Barrierefreiheit scheitern darf!
Sicherheit muss Priorität haben
Gleichzeitig ist dem Aspekt der Sicherheit höchste Priorität einzuräumen. Blinde und sehbehinderte Menschen gehören zu den besonders vulnerablen Nutzer:innen des öffentlichen Raums. Sie sind darauf angewiesen, dass sie sich jederzeit darauf verlassen können, dass die anderen Verkehrsteilnehmenden sie nicht gefährden.
Die oberste Maxime im Bereich autonomes Fahren muss daher die Erhöhung der Sicherheit und Autonomie aller, und zwar innerhalb und ausserhalb der Fahrzeuge sein. Sicherheitsgewinne auf Kosten der vulnerabelsten Verkehrsteilnehmer:innen oder die Einschränkung ihrer Mobilität sind inakzeptabel.
Weisser Stock = Stopp!
Für den sbv ist unmissverständlich klar: jedes automatisierte Fahrzeug muss angemessen auf die unterschiedlichen Verhaltensweisen von Menschen zu Fuss reagieren können. Bevor automatisierte Fahrzeuge auf Strassen mit Fussverkehr zugelassen werden, muss zwingend eine Lösung gefunden werden, dass Art. 6 Abs. 4 der Verkehrsverordnung (Unbegleiteten Blinden ist der Vortritt stets zu gewähren, wenn sie durch Hochhalten des weissen Stockes anzeigen, dass sie die Fahrbahn überqueren wollen.) weiterhin seine Legitimität behält.
Bern, 14.06.2025