Bundesrat liefert keinen Plan für eine inklusive Schweiz
Der vom Bundesrat präsentierte indirekter Gegenvorschlag zur Inklusions-Initiative bleibt unkonkret und liefert bei Weitem nicht den dringend geforder-ten Plan für eine inklusive Schweiz. Zudem stützt sich der Bundesrat auf ei-nen viel zu engen Behinderungsbegriff.

Bildquelle: sbv fsa
Die letzten zwei Jahrzehnte haben es gezeigt: ohne einen verbindlichen Plan mit klaren Zielen, Kriterien, und Kontrollmechanismen bleibt die Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen in der Schweiz auf dem Niveau der Jahrtausendwende stehen. Mit der Inklusions-Initiative werden Bund und Kantone deshalb aufgefordert, die Forderungen der UNO-Behindertenrechtskonvention und damit die tatsächliche Gleichstellung endlich verbindlich umzusetzen. Mit dem präsentierten Vorentwurf, der aus einem neuen Inklusionsrahmengesetz und Massnahmen im Invalidenversicherungsgesetz (IVG) besteht, wird dies jedoch deutlich verfehlt: «Ein Inklusionsgesetz, das seinen Namen verdient, muss die Weichen für eine fortschrittliche Inklusionspolitik der nächsten 10 bis 20 Jahre stellen und eine klare Strategie sowie ein wirkungsvolles Monitoring sicherstellen», so Matthias Kuert Killer, Leiter der Abteilung Politik bei Inclusion Handicap. Unhaltbar ist zudem, dass sich der Bundesrat im neu erarbeiteten Inklusionsgesetz auf einen Behinderungsbegriff stützt, der ausschliesslich Bezüger:innen von IV-Leistungen berücksichtigt. Somit werden nur knapp ein Drittel der insgesamt 1.9 Mio. Menschen mit Behinderungen in der Schweiz vom Inklusionsgesetz erfasst.
Freie Wahl von Wohnort und Wohnform bleibt Wunschtraum
Der Vorentwurf des Inklusionsrahmengesetzes leitet den notwendigen Systemwechsel zum selbständigen Wohnen mit Assistenz nicht konsequent genug ein. Es fehlt ein klarer Auftrag an die Kantone bezüglich der freien Wahl der Wohnform und die Finanzierung der dafür notwendigen Unterstützungsleistungen. Auch die freie Wahl des Wohnorts ist nicht gewährleistet. Dabei wurde vom Parlament erst kürzlich die Modernisierung des IFEG (Bundesgesetz über die Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen) in Auftrag gegeben. «Neben der festgeschriebenen Pflicht der Kantone, das selbstbestimmte Wohnen sicherzustellen, braucht es auch einen gesetzlichen Anspruch der Menschen mit Behinderungen darauf. Ansonsten machen wir in diesem Bereich nie den notwendigen Schritt in die Zukunft», sagt Caroline Hess-Klein, Leiterin der Abteilung Gleichstellung bei Inclusion Handicap.
Keine Verbesserungen bei Unterstützungs- und Assistenzleistungen
Unterstützungsleistungen wie Assistenz, geeignete Hilfsmittel oder persönliche Dienstleistungen, sei es im Bereich des täglichen Lebens oder auch im Berufsleben, bilden die Basis für das autonome Leben von Menschen mit Behinderungen und ihre gesellschaftliche Teilhabe. Auch hier verfehlt es der Bundesrat, die Weichen für mehr Selbstbestimmung zu stellen: Ein verbesserter Zugang zum Assistenzbeitrag, zu Hilfsmitteln oder persönlichen Dienstleistungen in der Invalidenversicherung bleibt weitgehend aus. Soll das Leben von Menschen mit Behinderungen selbstbestimmter werden, so führt kein Weg am Ausbau der Assistenzleistungen vorbei.
Mehr Entschlossenheit gefordert
Gemessen an diesen Anliegen bietet der Vernehmlassungsentwurf aus Sicht der Behindertenverbände keine genügende Antwort auf die Initiative. Die Menschen mit Behinderungen und ihre Verbände – darunter auch der sbv – werden sich im nun beginnenden Vernehmlassungsverfahren aktiv einbringen. Das Ziel ist klar: Bei der Gleichstellung endlich entschlossen und mit einem umfassenden Plan voranzugehen.
Dieser Beitrag basiert auf einer Medienmitteilung des Dachverbands Inclusion Handicap, bei dem der sbv Mitglied ist.